Astigmatismus (Stabsichtigkeit)
Beim Astigmatismus (Stabsichtigkeit) führt ein brechungsbasierter Abbildungsfehler des Auges zu einem unscharfen Seheindruck. Während die einfallenden Lichtstrahlen normalerwiese punktförmig auf der Fovea im Zentrum der Makula auf der Netzhaut (Retina) abgebildet werden (sog. Brennpunkt), kommt es beim Astigmatismus zu einen stabförmigen Versatz (sog. Brennlinie bzw. Brennebene). In aller Regel ist eine ungleichmäßig gewölbte Hornhaut die Ursache für einen Astigmatismus - daher wird diese Fehlsichtigkeit häufig mit Hornhautverkrümmung gleichgesetzt.
Inhaltsübersicht
1. Definition: Was ist Astigmatismus?
Astigmatismus ist ein Abbildungsfehler im Auge: Die eintretenden Lichtstrahlen bündeln sich nicht in einem Brennpunkt, sondern in zwei Brennpunkten. Der fokussierte Gegenstand wird nicht exakt auf der Fovea im Gelben Fleck (Makula) der Netzhaut (Retina) abgebildet. Aber nur, was auf der Makula abgebildet wird, sehen wir als "scharf", denn dort sind die Sinneszellen besonders dicht gedrängt (gutes Auflösungsvermögen, Visus). Der visuelle Seheindruck ist als verzerrt bzw. unscharf.
Der Begriff "Astigmatismus" leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet "Punktlosigkeit". Denn im Gegensatz zur sphärischen Hornhaut, die aus dem Lichteinfall einen Brennpunkt erzeugt, gibt es bei Astigmatismus nicht diesen einen Brennpunkt, sondern zwei stabförmige Bildebenen. Die folgende Grafik veranschaulicht den astigmatischen Seheindruck bei ca. -2, -4 und -6 Dioptrien.
2. Ursache des Astigmatismus
Ein Astigmatismus ist in der Regel genetisch bedingt und bildet sich bereits im Kleinkindalter heraus. Eine leichter Astigmatismus ist durchaus normal und führt bei Werten unterhalb von 0,5 Dioptrien kaum zu visuell bemerkbaren Beeinträchtigungen. Man unterscheidet zwei Arten, wobei jeweils die Ursache der stabförmigen Verzerrung im Vordergrund steht:
- Hornhautverkrümmung
- Linsenastigmatismus
- Astigmatismus des Augenhintergrundes
Hornhautverkrümmung
Die häufigste Ursache des Astigmatismus ist die Hornhautverkrümmung. Normalerweise ist die Hornhaut gleichmäßig gewölbt, das heißt die sphärische Oberfläche hat einen einheitlichen Radius. Das gebrochene Licht fällt dann auf einem Punkt zusammen (Brennpunkt). Bei Hornhautverkrümmung ist die Hornhaut in zwei Bereichen unterschiedlich gewölbt. Man spricht von Einfallsebenen, die unterschiedliche Radien, und damit unterschiedliche Brechkraft haben.
Was aus der optischen Grafik nur schwer ersichtlich wird, ist, dass man sich das Ganze dreidimensional vorstellen muss: Die astigmatische Hornhaut also kein Stück aus einer gleichmäßigen Kugel, sondern eher aus einem Hühnerei. Von oben gesehen ist der Radius anders als von der Seite gesehen.
Nach dieser Grafik erschließt sich die folgende, die die astigmatischen Bildebene zeigt. Zwischen der 1. und der 2. Brennebene, die jeweils durch die unterschiedlichen Radien entstehen, befindet sich der "Kreis kleinster Verwirrung" - das ist die Bildebene, wo der Bildeindruck am schärfsten ist, quasi der bestmögliche Kompromiss.
Je nachdem, in welchem Winkel die Brennlinen zueinander stehen, unterschiedet man folgende Formen:
- Reguläre Astigmatismen
- Irregulärer Astigmatismus
Reguläre Astigmatismen (wg. Hornhautverkrümmung)
Beim regulären Astigmatismus stehen die beiden Brennebenen im einen 90° Winkel zueinander. Man unterscheidet drei Formen des regulären Astigmatismus:
- Astigmatismus rectus (nach der Regel): die Ebene mit maximaler Brechkraft hat die Achse 90° (±15°), der Minus-Zylinder einer Brille würde bei 180° (±15°) liegen. Dieses ist die am häufigsten auftretende Form des Astigmatismus.
- Astigmatismus inversus (gegen die Regel): die Ebene mit maximaler Brechkraft hat die Achse 0° (±15°), der Minus-Zylinder einer Brille würde bei 90° (±15°) liegen.
- Astigmatismus obliquus (Schräger Astigmatismus): alle anderen regulären Astigmatismen, bei denen die Brennebenen in einem 90°-Winkel zueinander stehen.
Irregulärer Astigmatismus (wg. Hornhautverkrümmung)
Wenn die beiden Brennebenen nicht senkrecht zueinander stehen, spricht man von irregulärem Astigmatismus.
Arten der Astigmatismus (wg. Hornhautverkrümmung)
Neben der Frage, in welchem Winkel die Abbildungsebenen zueinander stehen und welche Richtung sie haben, unterscheidet man noch nach der Entfernung der Brennebenen in Bezug auf die Netzhaut (Retina).
- Astigmatismus hyperopicus simplex: eine Brennlinie liegt auf der Netzhautebene, die andere dahinter (siehe Hyperopie: Weitsichtigkeit).
- Astigmatismus myopicus simplex: eine Brennlinie auf der Netzhautebene, die andere davor (siehe Myopie: Kurzsichtigkeit).
- Astigmatismus mixtus: eine Brennlinie liegt vor der netzhaut, die andere dahinter.
Nicht selten tritt ein Astigmatismus gemeinsam mit einer Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit auf. Dann spricht man auch von einem Astigmatismus compositus. In dem Fall entsteht durch die Hornhautverkrümmung eine stabförmiges Bild, dessen "schärfster Punkt" (Kreis kleinster Verwirrung) durch einen zu langen (oder zu kurzer) Augapfel vor oder hinter der Netzhaut liegt.
Linsenastigmatismus
Neben diesen vielfältigen Astigmatismus-Formen, die auf einer Hornhautverkrümmung basieren, gibt es die seltene Form des Linsenastigmatismus. In diesem Fall ist die Augenlinse für die stabförmige Verzerrung verantwortlich. Auch hier lassen sich verschiedene Ursachen unterscheiden:
- Die Augenlinse kann durch Verhärtungen so beschaffen sein, dass sie sich nicht gleichmäßig kugelförmig verhält, sondern quasi eine Delle hat.
- Der Ziliarmuskel, der die Augenlinse ringförmig umschließt und ihre Form steuert, kann teilweise defekt sein, so dass die Augenlinse unterschiedlich in die Länge gezogen wird.
- Außerdem kann es vorkommen, dass die Linsenschichten unterschiedliche optische Eigenschaften aufweisen, was eine unterschiedliche Lichtbrechung zur Folge hat.
Astigmatismus des Augenhintergrundes
In seltenen Fällen kann es zu einer Deformation des Augenhintergrundes kommen. Die Netzhaut liegt dann nicht auf der Innenseite eines kugelförmigen Augapfels. Stattdessen ist der Augenhintergrund eingedellt, häufig ist davon insbesondere die Makula betroffen. Wenn die Makula schräg im Auge sitzt, wird das Abbild der Lichtstrahlen in die Länge gezogen, selbst wenn die Hornhaut ohne Verkrümmung ausgebildet ist.
3. Symptome / Auswirkungen
Als Folge eines astigmatischen Auges entsteht ein unscharfes Bild, meist in einer Richtung besonders ausgeprägt. Normalerweise fällt das punktförmig gebündelt Licht auf die dichtgedrängten Sinneszellen in der Fovea im Zentrum der Maklua auf der Netzhaut (Retina). Aufgrund der hohen Dichte an Sinneszellen ist das Auflösungsvermögen hier besonders hoch - es entsteht ein scharfer Bildeindruck. Beim Astigamtismus gibt es nicht diesen einen Brennpunkt, sondern zwei Brennlinien. Dazwischen liegt eine Ebene, die man als "Kreis kleinster Verwirrung" bezeichnet.
Je kleiner der Abstand der beiden Brennlinien (d.h. je geringer die Unterschiede bei der Wölbung), um so kleiner ist dieser Kreis auf der Netzhaut - und um so schärfer ist der Bildeindruck. Ideal wäre natürlich ein Brennpunkt.
Wenn die Achslage nicht exakt senkrecht oder waagerecht liegt, ist der Seheindruck um so unschärfer. Man unterscheidet drei Arten des astigmatischen Abbildungsfehlers:
- Compromise: Richtung der Delle auf der Hornhaut ist diagonal
- Horizontal: Richtung der Delle auf der Hornhaut ist horizontal
- Vertikal: Richtung der Delle auf der Hornhaut ist vertikal
4. Diagnose / Sehtest
Mit Hilfe eines Astigmatismus-Sehtests kann man auch online ganz gut erkennen, ob man einen Astigmatismus hat. Das Prinzip ist einfach. Der folgende Test, auch Astigmatismus-Sonnenrad genannt, zeigt strahlenförige Linien. Gehen sie ca. 1,5 - 2 vom Monitor zurück und betrachten sie die Linien. Sind sie in einer Richtung unschärfer oder heller? Dann könnten Sie einen Astigmatismus haben. Genauere Aussagen kann nur ein Augenarzt mit Hilfe eines professionellen Sehtests machen.
Dioptrie / Brillenwerte bei Astigmatismus
Die Maßeinheit für die Brechkraft eines optischen Systems (z.B. einer Brille) nennt man Dioptrie. Die Abkürzung für eine Dioptrie lautet "dpt". Beim Astigmatismus sind jedoch weitere Brillenwerte erforderlich, damit ein korrigierendes Brillenglas hergestellt werden kann. Sie stehen im Brillenpass bzw. in der Brillenverordnung des Augesarztes.
Der Grad der Fehlsichtigkeit wird in Dioptrie angegeben. Das ist die Maßeinheit für die Brechkraft eines optischen Systems.
- Die Sphäre (Sph) zeigt in Dioptrien, welche Korrektur notwendig ist, damit das Bild exakt auf der Netzhaut abgebildet wird. Beim Astigmatismus werden wie bei einer Myopie Minuswerte verwendet.
- Der Zylinder (Cyl) zeigt an, wie stark die Abweichung der Wölbung ist (ebenfalls in Dioptrien). Der Zylinderwert wird auch als "Astigmatische Komponente" bezeichnet.
- Die Achslage (A oder Ach) zeigt den Winkel an, in der die des Zylinders an (0 - 180°).
5. Therapie / Behandlung
Ein Astigmatismus kann in den meisten Fällen durch eine vorgesetzte torische Linse korrigiert werden (torisch = wulstartig, außern breiter als im Zentrum).
Brille bei Astigmatismus
Am weitesten verbreitet zur Korrektur eines Astigmatismus ist die Brille mit torischen Gläsern. Man spricht auch von Zylindergläsern. Da das astigmatische Fehlbild nicht nur in einer bestimmten Sehdistanz Probleme bereitet, kann man nicht von einer Nah- oder Fernbrille sprechen. Die zylindrischen Brillengläser sind ähnlich wie Gleitsichtgläser anfangs gewöhnungbedürftig.
Das Glas ist im Grunde eine Kombination von sphärischen und torischen Brillenglas. Daher spricht man auch von sphäro-torisches Brillenglas. Es besitzt zwei senkrecht zueinander liegende Hauptschnitte.
Grundsätzlich gilt: je stärker die Astigmatismus, um so stärker das Brillenglas. Allerdings bieten die Glashersteller heutzutage inzwischen Brillengläser an, die auch bei starker Stabsichtigkeit relativ dünn sind.
Kontaktlinsen bei Astigmatismus
Die alternative Sehhilfe ist die Kontaktlinse. Im Grunde handelt es sich wie bei der Brille um eine korrigierende Linse, die allerdings liegt auf der Hornhaut des Auges liegt. Einfache sphärische formstabile Kontaktlinsen eignen sich bis zu einem gewissen Grad zur Korrektur sowohl regulärer als auch irregulärer Hornhautastigmatismen, weil zwischen ihnen und der Hornhautoberfläche ein torisch geformter Tränenfilm entsteht, der den Astigmatismus ausgleicht.
Ein Ausgleich kann auch mit formstabilen oder weichen torischen Kontaktlinsen erreicht werden, die durch eine asymmetrische Gewichtsverteilung ihre Ausrichtung auf der Hornhaut beibehalten.
Auf Dauer sind die sehr komfortablen, weichen Tageslinsen allerdings ein echter Kostenfaktor - deutlich teurer als eine neue Brille alle 2 Jahre. Grob über den Daumen kann man für ein gutes Paar Tageslinsen etwa einen Euro pro Tag rechnen - macht bei 365 Tagen dann 365 Euro. Es gibt allerdings auch Monats oder Jahreslin sen, wobei man dann wiederum viel Aufwand mit der Reinigung der Linsen hat.
Augenkorrektur bei Astigmatismus (Augenlasern)
In den letzten Jahren kommt eine weitere Möglichkeit hinzu, die das "Übel an der Wurzel" behandelt: die sog. Refraktive Chirurgie korrigiert die Fehlsichtigkeit durch Anpassung der Hornhaut. Dabei werden die optischen Eigenschaften durch Abtragen der Hornhaut-Oberfläche so verändert, dass im Auge ein scharfes Bild entseht. Siehe Augenkorrektur mit Hilfe einer Laseroperation (Augenlasern).
Es gibt heutzutage drei verschiedene Augenlaser-Verfahren, die unterschiedlich teuer sind. Je schonender und sicherer, um so teurer. Eine einfach Lasik-Operation kostet rund 1000 Euro pro Auge. Das modernere Femtolasik-Verfahren kostet rund 1500 - 2000 Euro pro Auge, und für das noch sicherere ReLEx-Smile-Verfahren muss man von 2500 - 3000 Euro pro Auge ausgehen.
Voraussetzung ist eine Mindeststärke der Hornhaut. Im Normalfall kann man sagen, dass eine Augenlaser-Korrektur bei Astigmatismus mit bis zu -4 Dioptrien noch möglich ist. Eine genaues Aussage über die individuelle Beschaffenheit der Hornhaut ist nur durch eine Augenuntersuchung möglich. Siehe dazu auch: Augenlasern bei Astigmatismus.
Ressourcen
- Brillen-Sehhilfen: Astigmatismus
- Sehtestbilder: Astigmatismus
- Wikipedia: Astigmatismus
- Deutsches Museum: Schlecht sehen